Amor Fati — Liebe Dein Schicksal.
Auf The Way of Creation sprechen wir vom Loslassen. Vom Hingeben. Davon, nicht aus Angst oder Kontrolle zu leben und zu erschaffen, sondern aus Vertrauen — aus Liebe. In diesem Sinne gibt es eine antike Idee, eine stille radikale Praxis, die unsere Reise weiter vertiefen kann.
Sie nennt sich Amor Fati.
Amor Fati — die Liebe zum Schicksal.
Nicht einfach nur akzeptieren, was passiert. Nicht ertragen oder aushalten.
Sondern es lieben. Aktiv, von ganzem Herzen, mutig lieben.
Zuerst mag das fast unmöglich klingen. Wie sollen wir unseren Herzschmerz lieben? Unsere Verluste? Unser Scheitern? Wie können wir nicht nur die schönen Momente lieben, sondern auch die dunklen Nächte der Seele?
Und doch ist es genau das, wozu Amor Fati uns einlädt:
Ein tiefes Loslassen.
Eine radikale Annahme.
Eine zärtliche Liebe für das ganze Leben — nicht nur für die Teile, die wir wollen, sondern für alles.
Die Weisheit der Stoiker.
Die alten stoischen Philosophen wie Marc Aurel, Seneca und Epiktet lebten nahe an dieser Idee. Für sie war das Leben weder gut noch schlecht — es war einfach. Unsere Urteile, unser Widerstand, unsere Vorlieben erschufen das Leiden. Aber wenn wir lernten, uns mit der Natur, mit der göttlichen Ordnung zu verbinden, konnten wir in jeder Situation Frieden finden.
Marcus Aurelius schrieb in seinen Meditationen:
Das Leben wirft sowohl Freude als auch Tragödien in unser Feuer. Amor Fati bedeutet, aus allem etwas Leuchtendes zu machen. Auch aus dem Schweren, dem Schmerzhaften.
Die Stoiker verleugneten den Schmerz nicht. Sie weigerten sich lediglich, ihm Sinnlosigkeit zuzuschreiben. Sie vertrauten darauf, dass jedes Ereignis nützlich ist — um in Weisheit, Mut und Mitgefühl zu wachsen.
Nietzsche und die Umarmung des Schicksals.
Jahrhunderte später griff Friedrich Nietzsche diesen alten Faden auf und spann ihn noch tiefer. Für ihn war Amor Fati nicht nur eine kluge Bewältigungsstrategie — es war ein tiefgreifender schöpferischer Akt. Ein leidenschaftliches "Ja" zum Leben mit all seinen Schatten und Widersprüchen. Eine kraftvolle Bejahung des Daseins.
Nietzsche schrieb:
Unser Schicksal zu lieben, nicht trotz seiner Schweren, sondern gerade wegen ihnen — das ist keine Passivität. Es ist die aktivste, mutigste Art zu sein. Es bedeutet, jeden Moment — selbst die, die uns brechen — als notwendig, als zugehörig, als liebenswert zu erkennen.
Es ist eine schöpferische Haltung zum Leben: ein stetiger Akt von Annahme, Verwandlung und sogar des Zelebrierens.
Meister Eckhart und das tiefe Loslassen.
In der christlichen mystischen Tradition sprach Meister Eckhart ähnlich von Hingabe und Liebe. Seine Lehren klingen tief mit dem Herzen von Amor Fati zusammen, auch wenn er andere Worte verwendete.
Er sagte:
Eckhart lehrte, dass die Seele leer werden müsse — frei von Anhaftungen, Erwartungen und Ängsten — damit das Göttliche durch sie hindurchfließen könne. Wahre Einheit mit dem Leben oder mit Gott bedeutete, den eigenen Willen loszulassen und alles als von der Quelle kommend zu umarmen.
In dieser Leere, in diesem Loslassen, wurde eine neue Art von Fülle geboren — eine radikale Annahme, eine tiefe Freude, eine Einheit mit der Lebensquelle selbst.
Amor Fati auf The Way of Creation.
Und wie webt sich diese alte Praxis des Amor Fati in unsere Reise hier auf The Way of Creation ein?
Im Kern ist Amor Fati eine Einladung, dem Leben tiefer zu vertrauen, als wir es je für möglich gehalten hätten.
Wenn wir kreieren — wenn wir es wagen, etwas Echtes in die Welt zu bringen — öffnen wir uns sowohl für Inspiration als auch für Unvollkommenheit, für Schönheit und für Enttäuschung. Schöpfung ist nicht perfekt oder vorhersehbar. Sie ist wild, verletzlich, lebendig.
Wenn wir nur dann kreieren, wenn wir uns sicher fühlen, wenn wir den Erfolg garantiert sehen, begrenzen wir uns selbst — und unsere Liebe.
Wenn wir aber den gesamten Prozess lieben — die Momente des Aufleuchtens genauso wie die schmerzhaften Zweifel, die Erfolge wie das Scheitern — dann praktizieren wir Amor Fati.
Wenn wir loslassen, dass jeder Schritt einfach und verständlich sein muss, wenn wir auch die unerwarteten Wendungen als Teil des Entfaltens annehmen — dann praktizieren wir Amor Fati.
Wenn wir erkennen, dass selbst unsere Kämpfe, unsere Verzögerungen, unsere gebrochenen Herzen keine Umwege sind, sondern Teil der heiligen Reise des Seins — dann leben wir Amor Fati.
Amor Fati verändert die Art, wie wir unseren Weg gehen.
Es verlagert die Frage von:
"Wie kann ich Schmerz, Enttäuschung und Unsicherheit vermeiden?"
zu:
"Wie kann ich sogar das lieben?"
Es geht nicht darum, Traurigkeit oder Schwierigkeiten zu verleugnen. Es geht darum, sie als zugehörig zu umarmen. Es geht darum zu vertrauen, dass irgendwie, auf geheimnisvolle Weise, alles — selbst die schmerzhaften Teile — dazu beiträgt, uns zu formen, uns zu vertiefen und die tiefsten Schöpfungen unserer Seele hervorzubringen.
Eine sanfte Einladung.
Amor Fati lädt uns ein, weicher zu werden.
Zu atmen.
Aufzuhören, das Leben an jeder Ecke zu bekämpfen.
Es lädt uns ein, jedem Moment — selbst den ungewollten — mit Neugier, mit Zärtlichkeit, mit Liebe zu begegnen.
Nicht, weil alles einfach ist.
Sondern weil alles echt ist.
Weil alles dazugehört.
Das ist The Way of Creation.
Nicht der Weg des Strebens, des Kontrollierens oder Perfektionierens.
Sondern der Weg des Loslassens, des Vertrauens, des Liebens.
Der Weg, mit dem Leben zu erschaffen, nicht dagegen.
Der Weg, uns berühren, formen, verwandeln zu lassen — und durch diese Verwandlung unsere tiefste Wahrheit zurück in die Welt zu schenken.
Gedanken zum Abschluss.
Heute also, liebe Wanderin, lieber Wanderer,
legst Du vielleicht eine Hand auf Dein Herz,
atmest das Leben ein, so wie es gerade ist,
und flüsterst leise zu Dir selbst:
"Ich liebe alles. Sogar das."
Amor Fati.